Ö-Töne: Nutzung für Soziale Medien und PE

Von | 11. Januar 2021

 

Aktion Soziale Absicherung für VHS-Dozent*innen 1/2021

Ö-Töne: Nutzung für Soziale Medien und PE

Die folgenden Zitate stammen nur von arbeitnehmerähnlichen Berliner VHS-Dozent*innen, die von dieser Arbeit hauptsächlich leben.

Wir widmen uns in der Aktion „Soziale Absicherung für VHS-Dozent*innen“ drei Themen

  1. Krankheit
  2. Prekäre Beschäftigung/ Angst/ Willkür
  3. Familie

Das war unser vorgeschlagener Rahmentext für die Protestmails:

„Obwohl ich seit vielen Jahren für die VHS arbeite, erhalte ich immer nur kurzfristige Honorarverträge von wenigen Wochen und kann jederzeit meine Arbeit, meine Kurse verlieren – ohne Ausgleichszahlung oder Arbeitslosengeld.

Das bedeutet für mich persönlich: …“

Vorweg: Thema Stellenwert der Arbeit, Ausbildung und Qualifikation

+ „Bald werde ich meinen Masterabschluss im Fach „Deutsch als Fremd- und Fachsprache“ der TU Berlin erhalten. Doch aufgrund der katastrophalen sozialen Lage von VHS-Dozent*innen sehe ich zurzeit keine Möglichkeit, in diesem Beruf zu arbeiten. Ich habe BaföG-Schulden aus dem Studium, die ich mit dem geringen und auch sehr unsicheren Gehalt nicht abbezahlen kann. Ebenso denke ich darüber nach, eine Familie zu gründen, aber auch diesen Schritt würde ich nicht gehen, wenn ich als selbstständige VHS-Dozentin arbeiten würde; es gibt keinerlei Regelungen zum Mutterschutz.

Ich bin zutiefst traurig, dass ich mich gezwungen sehe, meinen Traumberuf nicht auszuüben, weil der politische Wille fehlt, die soziale Lage der VHS-Dozent*innen zu verbessern.“

(Frau, unter 30. Daf/DaZ. 6 Monate VHS und mehrfach während des Studiums)

 

+ „Unsere Leistungen als VHS-Dozent*innen in der Erwachsenenbildung sind für die Gesellschaft sehr wertvoll. Im Januar diesen Jahres haben wir 100 Jahre Berliner Volkshochschulen entsprechend mit einer Feier im Roten Rathaus gewürdigt.

Ich habe eine fundierte Ausbildung mit langjähriger und vielseitiger Berufserfahrung im kreativen und pädagogischen Bereich. Ich bitte sehr darum, dass meine Qualifikation und die hohe Qualität meiner Arbeit für das Land Berlin wertgeschätzt wird und dass sich das auch in der sozialen Absicherung widerspiegelt.“ (Dozentin, Nr. 22, Kultur)

 

+ „Ich mache meine Arbeit gerne, aus Überzeugung. Aus eigener Auslandserfahrung weiß ich, wie wichtig das Erlernen einer Sprache für das Ankommen in einem neuen Land ist. Ich habe mich bewusst dafür entschieden Erwachsene zu unterrichten und keine Kinder. Ich habe Arbeitserfahrung in anderen Bereichen innerhalb und außerhalb der Bildungsbranche im Inland und dem europäischen Ausland, einen Masterabschluss und zwei Ausbildungen.

Man sollte meinen, dass das in diesem Land genug wäre für finanzielle und soziale Absicherung, aber anscheinend ist dem nicht so. Wenn man nicht so richtig in eine der deutschen Schubladen passt, mit linearem Lebenslauf und dem einzig einen Karriereziel, hat man wohl schon den ersten Fehler gemacht. In einem humanistischen Bereich zu arbeiten ist der nächste Fehler. Dann noch ganz klischeehaft als weibliche Lehrkraft und dann noch alleinerziehend. Damit ist man praktisch dem sozialen Abstieg geweiht. Das ist zumindest das, was ich in den letzten Jahren gelernt habe.“ 

(Dozentin, Nr. 24, Frau, Daf/DaZ, ca. 5 Jahre an der VHS)

 

 

 

  1. THEMA: Krankheit: 

 

+ „Ich habe ein Germanistik- und Romanistikstudium abgeschlossen und diverse längere Fortbildungen im Bereich Sonderpädagodik, Deutsch als Fremdsprache und Integrationskurse besucht. Unsere prekäre Situation mitsamt der Angst, eventuell keine Vertragsverlängerung zu bekommen, führt dazu, dass ich Anfang des Jahres nach einem Unfall nicht den Mut hatte, eine ReHa Zeit zu nehmen und eine solche rechtzeitig zu besuchen. In den Herbstferien tat ich es dann verspätet. So habe ich monatelang damit gezögert und jetzt bleibende Schäden… Eine erneute OP würde anstehen, geht Corona bedingt nicht und Angst vor Arbeitsverlust begleitet auch spätere Möglichkeiten.  (..)

Ich liebe meine Arbeit, aber mit über 65 gezwungen zu sein, dieses Risiko auf mich zu nehmen, empfinde ich als unwürdig für einen „Sozialstaat“, für den ich engagiert gearbeitet habe und arbeite.“ 

(Dozentin, Nr. 8, ca. 65 + Jahre, Daf/DaZ, jahrelang an der VHS ) 

+ „Das heißt für mich ganz persönlich, dass ich keinerlei berufliche Sicherheit habe. Das ist ein Zustand, den ich als hochqualifizierte Akademikerin jeden Tag aushalte. Ich bin so gut wie nie krank und habe trotzdem Angst, dass ich bei einer eventuellen Erkrankung, sei es durch einen Unfall oder eine benötigte Kur, Reha, keine Einkünfte erhalten werde. Ich bin der Ansicht, dass ich eine wertvolle und wichtige Arbeit leiste, leider wird diese m. E. von der Politik kaum wahrgenommen und wenig wertgeschätzt. Gerade in diesen Zeiten sind unsere Kurse ein wichtiger Baustein für das friedliche Leben einer multikulturellen Gesellschaft hier in Berlin.“ 

(Dozentin, Daf/DaZ,  50 + Jahre, Nr. 12)

 

+ “ Das heißt für mich ganz persönlich z. B., dass bei einer Erkrankung oder einer OP mit längerer Reha-Zeit meine Weiterbeschäftigung danach völlig ungesichert ist. Ganz allgemein bin ich der Meinung, dass die soziale Absicherung meiner Tätigkeit für das Land Berlin auch meinem Status als arbeitnehmerähnlicher Kursleiter entsprechen sollte, d.h. ähnlich der eines Arbeitnehmers sein sollte und nicht dem von Kolleg*innen entsprechen sollte, die diesen Status nicht haben, da sie nur nebenberuflich an der VHS tätig sind.“ 

(Nr. 13, Dozent, 65+, >40 Jahre an Volkshochschulen in Berlin tätig, Programmbereich Fremdsprachen)

 

+“Ich liebe meine Tätigkeit und führe sie mit großer Leidenschaft aus. Meine gut gebuchten Kurse bestätigen, dass auch meinen Kursteilnehmer*innen Freude an meiner Arbeit haben. (…)

Das ganze Ausmaß des unternehmerischen Risikos (Krankheit, Kursausfälle usw.) trage ich trotz arbeitnehmerähnlicher Tätigkeit größtenteils allein. Absicherungen wie Ausgleichzahlungen oder Arbeitslosengeld fehlen. Für mich persönlich bedeutet das seit Jahren bei einer eigenen Erkrankung arbeiten bis zur Erschöpfung, denn einen finanziellen Ausfall kann ich mir nicht leisten. Bei Erkrankung eines meiner Kinder habe ich Honorarausfälle oder muss für kostenintensive Betreuung sorgen und kann mich selbst nicht um das erkrankte Kind kümmern. Die Corona-Pandemie verschärft die Situation nur, weil ich mit einer vielleicht harmlosen Erkältung gar nicht arbeiten darf bzw. mein Kind zuhause betreuen muss. Das bedeutet zusätzlich Stress. Operationen sind ohnehin nur mit knappen Zeitfenstern oder während der Ferien planbar. Rehazeiten sind nie spontan und nur in meiner Freizeit möglich.“  

(Dozentin, Nr. 22, Programmbereich Kultur)

 

+ „Jede Krankheit kann zu einem existenziellen Risiko werden, weil ich dadurch Kurse/Honorarzahlungen verliere und ein Wiedereinstieg oder Reha- bzw. Reintegrationsmaßnahmen weder gesichert noch vorgesehen sind. Zentrale Arbeitnehmer*innenrechte bleiben mir so verwehrt. Persönlich musste ich schon miterleben, wie ein allseits geschätzter Kollege aufgrund einer harmlosen, aber wiederkehrenden Erkrankung dauerhaft keine Honorarverträge mehr erhielt. Vertretungen zu organisieren bringe den Betrieb durcheinander … Natürlich blicke ich da mit großer Sorge auf einen möglichen eigenen Krankheitsfall und spüre diese Unsicherheit immer wieder stark. Diese Situation greift nicht nur mich an, sondern wirkt tief auf mein Umfeld, z.B. auf meine pflegebedürftige Mutter und andere Angehörige.“

(Dozent, Nr. 26, seit 4 Jahren an der VHS, keine Angabe zum Programmbereich) 

 

+ „Meine Arbeit begann mit der Jugendbildung, dann kam Alphabetisierung von jungen Erwachsenen und ich war in  meiner ganzen Berufstätigkeit am Aufbau von Grundbildungsangeboten engagiert tätig, habe jahrelang Kurse im Kreativen Schreiben geleitet und Deutsch als Fremdsprache unterrichtet sowie später in Integrationskursen beziehungsweise Deutsch-Elternkursen.

Die Arbeit ist stets inhaltlich interessant, abwechslungsreich und herausfordernd. So konnte ich jetzt zu Coronazeiten wichtige Informationen und Hilfestellung geben, incl. Einübung in Hygiene und Schutzmaßnahmen in allen meinen Angeboten leisten. Dieser Aspekt der Lebenshilfe und sozialen Integration in der Arbeit an Volkshochschulen ist von unschätzbarem Wert. (…)  

Nach einer Zäsur 2018 wegen einer schweren Erkrankung geriet bei mir alles in Schieflage.Nur wegen der finanziellen Unterstützung meines damals 90-jährigen Vaters habe ich das finanziell überlebt.Als ich wieder einsteigen wollte, fiel mir der Bereich der Integrationskurse völlig weg. In einem klärenden Gespräch bot man mir Ersatz in einem anderen Bereich an. Das nahm ich auch an, aber ich komme nicht mehr auf das Stundenpotential von vor meiner Erkrankung. (…) Ich bekam von den festen Mitarbeitern  Unterstützung, doch jetzt seit Corona ist ein weiterer Bereich weggefallen.“

(Dozentin Nr. 27, Frau, Grundbildung und DaZ, ca. 60, ca 30 Jahren an der VHS)

 

+ „Seit einigen Jahren leide ich an einer erblich bedingten Erkrankung. Das macht viele gesundheitliche Probleme und .schränkt meine Leistungsfähigkeit um 50% ein. Da es für Honorardozenten wie mich keine ausreichende Zahlung während krankheitsbedingten Ausfalls gibt, gehe ich tapfer zur Arbeit – egal wie stark die Schmerzen sind. Mein Mann hat aufgrund seines ungeklärten Status‘ als Flüchtling keine Arbeitserlaubnis. Daher bin ich es, die allein die finanzielle Verantwortung für die Familie trägt. Wie lange meine Gesundheit mir noch erlaubt, zu arbeiten, hängt am seidenen Faden.“

(DozentIn  Nr. 32, DaF/DaZ, w, ca. 50 Jahre, 3 Jahre bei der VHS)

 

 

  1. THEMA Angst /Prekariat/ Willkür

+ „Wegen der coronabedingten Schließung und Überforderung der Mitarbeitenden an meiner VHS musste ich über 6 Monate (!) auf Honorare warten, für die ich längst die Leistung erbracht hatte. Auf Basis dieser Prekarität fußt der mangelnde Respekt mancher Direktor*innen und Verwaltungsangestellten für unsere finanzielle und (gerade in Pandemiezeiten!) gesundheitliche Sicherheit. Dabei gilt:je weniger Sorgen Kursleiter*innen selbst haben, desto geduldiger, kreativer und empathischer können sie sich den Lernenden widmen und die schwierige deutsche Grammatik erklären.“ 

(Dozent, Nr. 17)

 

+ „Man lebt in ständiger Angst, die monatlich regelmäßig anfallenden Kosten nicht bezahlen zu können. Es ist nicht möglich genügend Reserven zu schaffen, um sich privat ausreichend abzusichern. Längere Verdienstausfälle durch nicht zustande kommende oder abgesagte Kurse oder längere Krankheitsphasen können jederzeit zum kompletten sozialen Absturz führen. (…)

Trotz guter akademischer Ausbildung ist man weniger sozial abgesichert als die Teilnehmenden unserer Deutschkurse. Wir sollen Menschen in Deutschland integrieren und werden als DozentInnen vom eigenen Land von der ausreichenden sozialen Absicherung ausgeschlossen. Das ist eine völlig absurde und frustrierende Situation und ein Armutszeugnis für einen angeblichen Sozialstaat. (…)

Es reicht einfach nicht, dass uns die Dankbarkeit unserer TeilnehmerInnen ohne Zweifel entgegengebracht wird. (…)

Unsere Selbstständigkeit wird lediglich zur Abwälzung des kompletten Risikos auf uns missbraucht. Man bekommt Angebote und kann diskussionslos zusagen oder auf noch schlechtere Arbeitsbedingungen bei anderen privaten Arbeitgebern ausweichen. (…) Da allen meinen KollegInnen und eben auch mir trotz aller widrigen Umstände unsere Aufgabe am Herzen liegt, wollen wir uns nicht nach einem anderen Betätigungsfeld erkundigen, sondern einfach nur dafür kämpfen, die Arbeitsbedingungen und vor allem die Möglichkeit der sozialen Absicherung für uns zu verbessern.“

(Dozentin, Nr. 19, Daf/Daz, viele Jahre an der VHS)

+ „Das heißt für mich ganz persönlich, dass ich durch die Abhängigkeit von kurzfristigen Honorarverträgen täglich von einzelnen Mitarbeitern abhängig bin und mich dadurch in einem Dauerzustand existenzieller Angst befinde. Ich kann jederzeit ohne Einkommen dastehen – trotz äußerst engagierter Pflege meiner selbstständigen Tätigkeit. Dieser Dauerzustand existentieller Angst greift meine Gesundheit immer mehr an.“

(Dozent, Nr. 23, Programmbereich Fremdsprachen, ca. 20 Jahre an der VHS)

+ „ARBEIT WEG

Obwohl ich seit knapp drei Jahren für die VHS arbeite, erhielt ich immer nur kurzfristige Honorarverträge von wenigen Wochen und habe Mitte Dezember meine Arbeit verloren,

weil unsere Räumlichkeiten unter Corona-Bedingungen zu wenige Kursteilnehmer*innen aufnehmen können, um den Vorgaben des Geldgebers zu genügen – ohne Ausgleichszahlung oder Arbeitslosengeld. 

UNSICHERHEIT

Ich bin alleinerziehend und lebe in ständiger Unsicherheit, ob der nächste Kurs stattfindet oder nicht. Ich bin komplett vom Willen meines Programmbereichsleiters abhängig und egal, wie lange ich arbeite, gibt es keine Sicherheit oder Arbeitsrechte. In anderen Sparten muss nach 2 Jahren ein fester Arbeitsvertrag her, nicht jedoch hier! Andererseits möchte die VHS auch nicht einen Tag vor Vertragsabschluss erfahren, dass ich den nächsten Kurs nicht mehr geben werde.“ (…)

UNGERECHTFERTIGTER VERDIENST TROTZ LANGEM STUDIUMS/SCHWIERIGER ARBEIT

Ich habe einen Masterabschluss und in Kürze einen zweiten, also 7 Jahre an einer Universität verbracht, und auch sehr gute Abschlüsse. Ich verdiene nach allen Abzügen nach Berechnung einer Gewerkschaft weniger als eine Facharbeiterin, dabei müsste ich eigentlich Tarifgruppe 13 erhalten, zumal die Bedingungen nicht die einfachsten sind. So wurde in meiner Gruppe neben den Klein- und Kleinstkindern unterrichtet, die einen hohen Geräuschpegel verursachen und die während des Unterrichtes gestillt wurden.

Die derzeitige Situation bedeutet für mich PERSÖNLICH

  • Ich bin wieder ganz und gar mit meinem Sohn beim Jobcenter, diesmal mit weniger Hoffnung auf eine neue Arbeit als zuvor (Corona).         
  • Ich  muss arm sein oder einen Gutverdiener heiraten, bleibe somit immer von einem Mann abhängig.         
  • Ich kann keinen Kredit aufnehmen, weder für ein kleines Auto noch für eine Wohnung, also auch keine solche Altersabsicherung betreiben oder mein tägliches Leben erleichtern. Dies wiederum bedeutet, dass ich schon heute absehen kann, dass ich mein Leben lang beim Jobcenter bleibe, wenn ich nicht umsattle: eine für mich sehr bittere Erkenntnis.
  • Ich werde den Staat noch ein drittes Studium kosten, das ich diesmal so auswähle, dass ich hinterher davon leben kann.“

(…)

Wir arbeiten genauso hart wie andere Lehrkräfte (Lehramt an Schulen) und haben auch so lange studiert. Wer nachvollziehen kann, dass wir keine Drucksache, sondern Menschen mit echten Lebenswegen sind, ermisst sicher, wie wertvoll eine Änderung der Situation ist.

(Dozentin Nr 31, DaZ, seit drei Jahren an der VHS)

+ „Seit genau 30 Jahren begleitet mich die Angst vor Krankheit oder anderen Umständen des Nicht-Arbeiten-Könnens, denn ich habe immer nur Honorarverträge für einzelne Deutschkurse von jeweils 5 oder 6 Wochen. Seit 30 Jahren arbeite ich zuverlässig aber ununterbrochen prekär, ohne die Möglichkeit auf Arbeitslosengeld, Kündigungsschutz oder bezahlte Weiterbildung. Ich habe eine akademische Ausbildung und entsprechende Lizenzen für das BAMF, habe schon Generationen von Migranten Deutsch unterrichtet und ich finde, dass wir Dozent*innen mehr als einen unsicheren Hilfsjob verdient haben. 

Die Sprachvermittlung ist der erste und wichtigste Schritt für die Integration. Diese Arbeit wird staatlicherseits gewollt und von uns durchgeführt. “

(Dozentin Nr. 33, Frau / 60 + / seit 30 Jahren im Programmbereich DaF/DaZ)

 

+ „Im Januar 2020 wurde plötzlich eine neue Kursleiterin beschäftigt. Ich habe nur mit Mühe die Kursanzahl für das Semester 2021 gehalten, aber für den Sommer weniger Kurse, als ich vorschlagen hatte. Andererseits wurden der neuen Kursleiterin unglaublich viele Kurse gegeben. Da wächst meine Angst. Durch viele andere Erfahrungen mit meiner Programmleitung muss ich befürchten, dass sie mich wegen meines Alter nicht mag. 

Ich finde es auf jedem Fall ungerecht, wegen des Alters oder persönlichen Geschmacks oder des Aussehens in meiner sozialen und finanziellen Lage bedroht zu werden!“

(Dozentin Nr. 35, Fremdsprachen, über 50 Jahre)

+ „Das heißt für mich ganz persönlich, dass ich in der Kursvergabe täglich von einzelnen VHS-Mitarbeitern abhängig bin. Das Risiko eines ausgefallenen Kurses muss ich alleine tragen und zu einem Kursausfall kann es kurzfristig kommen. Dieser Zustand bedeutet für mich permanente Existenzangst und Dauerstress. Da das meine Gesundheit angreift, überlege ich nun ernsthaft, ob ich diese Arbeit in Zukunft weiterhin ausführen kann. Ich liebe diese Arbeit und versuche ihr mit Sorgfalt nachzukommen. Nur ungern würde ich sie aufgeben. 

Vor Jahren habe ich mit Enthusiasmus an der VHS zu lehren begonnen. Mit der Zeit aber konnte ich beobachten, wie der Einsatz sozial nicht abgesicherter Lehrkräfte die Qualität der Erwachsenenbildung enorm mindert. (…)

Wie gut könnte die Qualität der Erwachsenenbildung sein, wenn das Potential der ProtagonistInnen genutzt und sie nicht ausgebeutet würden.

(Dozentin Nr 36 – Weiblich, 45+ Jahre, DaZ/ Alphabethisierung, seit ca. 4 Jahren für die VHS)

  1. THEMA: Familie: 

+ „Wenn Familie einen so hohen Stellenwert hat, wie es von der Politik propagiert wird, dann muss sich dies auch in der Praxis von arbeitnehmerähnlichen Freiberuflern widerspiegeln. Auch wir sollten uns um unsere Babys kümmern können, ohne Angst haben zu müssen, nach einer Babypause unser Stundenkontingent nicht wiederzubekommen. Und wir sollten nicht darum betteln müssen, sondern einen Anspruch darauf haben.“

(Dozent, Nr. 3; Mann, Anfang 40, seit 5 Jahren an der VHS, DaZ 

+ „Ich habe zwei kleine Kinder (1 und 2 Jahre alt). Wie soll ich meine Familie ernähren und unsere Miete zahlen, wenn das Einkommen plötzlich wegfällt? Ist das der Dank dafür, dass ich und viele meiner Kolleginnen viele Jahre studiert haben? Das vermitteln der Sprache und Kultur ist ein wichtiger Schlüssel zur Integration in unserer Gesellschaft.“ 

(Dozentin, Nr. 10, DaZ, seit ca. 14 Jahren an der VHS)

 

+“Seit 2,5 Jahren bin ich alleinerziehende Mutter, was die Situation nur noch verschlimmert hat. Zuerst konnte ich nur in sehr eingeschränktem Stundenumfang arbeiten, weil es keinen Kita-Platz für meine Tochter gab. Als sie mit 1,5 Jahren endlich einen Kita-Platz hatte, gab es für mich kein Arbeitsangebot zu Zeiten, die durch die Kita-Öffnungszeiten abgedeckt wurden.

Mittlerweile unterrichte ich einen Vormittags- und einen Abendkurs. Für den Abendkurs bezahle ich den Babysitter selbst. Ich opfere also gut 20% (teilweise mehr) meines Honorars,  um im Geschäft bleiben zu können. Das gleiche gilt für meine Prüfertätigkeit am Wochenende für den Deutsch-Test für Zuwanderer. Die Möglichkeit, die ergänzende Kindertagespflege mit der entsprechenden Finanzierung über das Jugendamt in Anspruch zu nehmen, ist bisher an der absurden Bürokratie, die dahintersteckt, gescheitert. So ist das mit vielen der existierenden sogenannten ‚Hilfen‘ für Alleinerziehende.

Darüber hinaus ist es schon schwierig als Honorarkraft länger als ein paar Tage krank zu sein. Die Situation verschärft sich allerdings drastisch, wenn man zusätzlich zu den eigenen Krankheitstagen wegen eines kranken Kindes zu Hause bleiben muss. (…) Durch die derzeitige Pandemie hat sich die Lage noch weiter zugespitzt, da die Kinder mit Erkältungssymptomen sofort der Kita fernbleiben müssen.“

(Dozentin, alleinerziehend, Nr. 24, Daf/DaZ, seit ca. 5 Jahren an der VHS)

+ „Als meine Mutter nach einem schweren Verkehrsunfall schwer pflegebedürftig wurde, hatte ich keinen Anspruch auf Pflegezeit, um die häusliche Betreuung zu organisieren. Ich musste eine unbezahlte Auszeit nehmen und zittern, danach wieder Verträge an der VHS zu bekommen. Ich hatte Glück mit meiner Programmbereichsleitung, die Verständnis zeigte und mich anschließend weiterbeschäftigte. Ich weiß aber von anderen Kolleg*innen, denen an ihrer VHS gesagt wurde,aus organisatorischen Gründen sei das leider nicht möglich.“

(Dozentin Nr, 35, Daf/DaZ, seit ca. 6 Jahren an der VHS, ca. 50 Jahre)