Hintergrund
An den zwölf Berliner Volkshochschulen arbeiten insgesamt etwa 3200 Kursleitende für die Bildung der Bürger*innen. Rund 900 VHS-Dozent*innen leben von dieser Tätigkeit und haben als Freiberufler*innen einen arbeitnehmerähnlichen Status, der vom Land Berlin anerkannt ist. Damit erhalten sie Urlaubsentgelt sowie Zuschüsse zur Sozialversicherung.
Die arbeitnehmerähnlichen Dozent*innen unterrichten vor allem Deutsch für Zuwander*innen, leiten Fremdsprachen-, Computer- und Kunstkurse und arbeiten in der Grundbildung, in der sie Schreiben und Rechnen vermitteln. Sie leisten rund zwei Drittel der Unterrichtsstunden an den Berliner Volkshochschulen.
Sie engagieren sich- oft über Jahrzehnte und in Vollzeit – für das lebenslange Lernen in der Erwachsenenbildung. Dennoch werden sie immer nur mit kurzfristigen Verträgen von einigen Wochen freiberuflich beschäftigt und verdienen deutlich weniger als angestellte Lehrkräfte mit vergleichbarer Qualifikation. Aufgrund mangelnder Absicherung können sie von heute auf morgen Aufträge und Einkommen verlieren. Zum Beispiel wegen geringer Teilnehmerzahlen im Kurs, Krankheit der Kursleitenden, Elternzeit oder Rauswurf aufgrund eines fehlenden fairen Konfliktmanagements. Die Kursleitenden haben keine Personalvertretungsrechte. Bei Verlust ihrer Arbeit erhalten auch Arbeitnehmerähnliche kein Arbeitslosengeld oder eine andere Form des finanziellen Ausgleichs.
Ältere Dozent*innen, die kurz vor der Rente stehen, haben durch jahrelang extrem niedrige Honorare düstere finanzielle Aussichten: um die 600 Euro Rente im Monat – auch nach jahrzehntelanger Vollzeitarbeit und Einzahlung in die Rentenkasse. Altersarmut im öffentlichen Auftrag.
Die Berliner VHS-Dozent*innen-Vertretung setzt gemeinsam mit ver.di ihr Engagement für faire Arbeitsbedingungen, bessere Bezahlung und soziale Absicherung fort. Dafür führen wir Gespräche mit vielen Akteur*innen – VHS-Leitungen, den Berliner Senatsverwaltungen für Bildung und Finanzen sowie mit Politiker*innen im Berliner Abgeordnetenhaus – und organisieren Aktionen.
Forderungen
Wir fordern für alle Berliner VHS-Kursleitenden eine Bezahlung wie für angestellte Lehrer*innen mit vergleichbarer Qualifikation sowie einen fairen Umgang und ein transparentes Konfliktmanagement. Für die Arbeitnehmerähnlichen wollen wir zudem eine bessere soziale Absicherung und Personalvertretungsrechte durchsetzen.
Unsere Kernforderungen im Einzelnen
1. Für alle VHS-Dozent*innen
– Honorar für Sprach- und anderen Unterricht in der VHS-Honorargruppe 1.2 (akademische Ausbildung) wie angestellte Lehrkräfte gemäß Entgeltgruppe 12, Tarifvertrag der Länder
– einen fairen Umgang der VHS mit Kursleitenden als Leitbild, angstfreie Kommunikation, ein faires, institutionalisiertes Konfliktmanagement
– bei Kursausfall: Ersatzangebote oder eine angemessene Ausfallzahlung bei kurzfristigem Ausfall (aktuell nur 10 Prozent des Honorars)
2. Für arbeitnehmerähnliche Dozent*innen
Für diese Dozent*innen fordern wir – wie es gesetzlich möglich ist – einen Tarifvertrag zwischen dem Land Berlin und der Gewerkschaft ver.di. Darin soll eine bessere soziale Absicherung verankert werden. Vorbild ist u.a. der Tarifvertrag für arbeitnehmerähnliche freie Mitarbeiter*innen beim Deutschlandradio.
Unsere bisher durchgesetzten Anliegen haben wir über eine Verwaltungsvorschrift des Berliner Senats, die Ausführungsvorschriften VHS Honorare, erreicht. Diese Möglichkeit ist gut, aber nicht optimal und stößt an Grenzen.
Unsere Ziele
– 100 Prozent Ausfallzahlung bei Krankheit – ab dem 1. Tag (aktuell 90 Prozent des Honorars ab dem 3. Krankheitstag)
– Aufstockung des Krankengelds nach sechs Wochen auf 100 Prozent des Honorarausfalls (aktuell keine Aufstockung)
– Anspruch auf Weiterbeschäftigung nach Krankheit, Elternzeit, Pflegezeit von Angehörigen
– Sicherung des Beschäftigungsvolumens
– Jahresausgleichszahlung bei deutlicher Auftragsminderung im Vergleich zum Vorjahr
– 30 Tage bezahlter Jahresurlaub (aktuell 23 Urlaubstage)
– Zugang zu zusätzlicher Altersvorsorge in der Versorgungskasse Bund Länder (VBL)
– Personalvertretungsrechte, Aufnahme der Arbeitnehmerähnlichen in die Personalvertretung
Rente
Forderung an die Bundespolitik
– Zeitfenster zum Eintritt in die Rentenversicherung ohne Nachzahlungspflicht
Hintergrund
Freiberufliche Dozent*innen unterliegen der Rentenversicherungspflicht, auch diejenigen, die nicht arbeitnehmerähnlich sind, aber durchschnittlich über 450 Euro pro Monat verdienen.
Viele VHS-Dozent*innen haben aber in der Vergangenheit nicht in die Deutsche Rentenversicherung eingezahlt, weil sie sich aufgrund der jahrzehntelang zu niedrigen Honorare und der beruflichen Unsicherheit in einer finanziellen und sozialen Notlage befanden.
Wenn sie aber jetzt in die Rentenversicherung einzahlen möchten, droht ihnen eine Nachzahlung für fünf Jahre, und zwar für den Arbeitgeber- und Arbeitnehmeranteil. Das ist eine schwere finanzielle Belastung, die viele nicht tragen können. Daher haben viele Dozent*innen Angst, sich bei der Rentenversicherung anzumelden, sowie vor den Terminen der Rentenversicherung für eine Kontenklärung.